Kein Bikepacking Trip ist wie der andere. Schon gar nicht dieser hier: Tobias Woggon und Martin Donat wollten nach Schottland reisen, um dort eine Gravel-Version der legendären North-Coast-500-Route zu fahren. Dabei galt es eine ganz Menge von Challenges zu bestehen. In diesem „How to“ erfährst du, wie die beiden sie gemeistert haben und bekommst viele Tipps für dein eigenes Bikepacking-Abenteuer.
Tobi und ich kennen uns schon seit einer Ewigkeit – gemeinsam unterwegs waren wir aber noch nie.
Nun war es also so weit: Tobi, der Endurofahrer, Reiseexperte und Mountainbike-Tausendsassa geht gemeinsam mit Martin, Mountainbiker der ersten Stunde, ehemaliger Downhillrennfahrer und seit geraumer Zeit Experte für Gravelbikes und nachhaltige Mobilität auf Schottlandtour.
Unterschiedlichste Erfahrungen und verschiedene Sichtweisen machten schon die Planung zu einer spannenden und witzigen Geschichte.
Schottland ist Tobis absolutes Lieblingsland und die North-Coast-500-Route stand schon lange auf seiner Bucket List. Nur das Radfahren ausschließlich auf Asphalt ist nicht so wirklich sein Ding, sodass klar war: Wir orientieren uns zwar an der Originalroute, versuchen aber, wenn möglich, auf ruhige Nebenstrecken oder sogar auf Schotterwege auszuweichen, die perfekt fürs Gravelbike geeignet sind.
Mein Kopfkino spulte direkt die Erinnerungen an meine erste Tour durch Schottland ab, auf der ich von Edinburgh aus mit dem Rennrad zum Downhillworldcup nach Fort William radelte, um dort meine Helden im finalen Rennlauf anzufeuern.
Die einmalige Landschaft der Highlands ist einfach unvergesslich schön und ich war Feuer und Flamme für die Neuauflage eines Bikepacking Abenteuers durch den hohen Norden des vereinigten Königreichs.
Ich hatte nur einen Herzenswunsch, der sich auf unsere Anreise bezog: Ich fragte Tobi, ob er sich vorstellen könne, nicht nach Schottland zu fliegen, sondern die Anreise möglichst sogar ohne Auto, sondern per Zug oder Fähre anzutreten.
Die Rahmenbedingungen für unseren NC 500 Trip standen!
""Mit Schottland und Gravel war ich auf Anhieb einverstanden.
Aber, wenn wir als Radfahrer durch die Welt reisen, um solch wundervolle Länder zu erkunden,
dann sollten wir unseren Fußabdruck so klein wie möglich halten. Tobi fand meinen Vorschlag prima."
Martin Donat
Nach Schottland zu reisen stellte sich recht bald als gar nicht mal so einfach heraus.
Anreise nach Schottland ohne Flugzeug und ohne Auto
Wenn Flugzeug und Auto wegfallen, bleiben noch zwei Alternativen: die Bahn und die Fähre.
Beides funktioniert unter normalen Bedingungen ziemlich gut, um „rüber“ ins Vereinigte Königreich zu kommen. Leider waren unsere Bedingungen alles andere als normal – lange Zeit wussten wir noch nicht einmal, ob wir überhaupt ohne langwierige Quarantänemaßnahmen einreisen dürfen. Daher schied die Bahn aus, denn die einzig praktikable Verbindung mit dem Eurostar-Zug durch den Eurotunnel muss man langfristig buchen, was für uns einfach nicht funktionierte.
Deutlich spontaner setzt man per Fähre über.
Auch hier macht es zwar Sinn, vorausschauend zu buchen, denn dann wird es viel günstiger. Mit entsprechendem Aufpreis ist es aber in der Regel problemlos möglich, ganz kurzfristig einen Platz zu finden, vor allem dann, wenn man mit dem Rad unterwegs ist.
Wir entschieden uns also für diese Variante: Von Amsterdam IJmuiden lassen wir uns über Nacht bis nach Newcastle ganz im Norden von England schippern. Von dort aus wollen wir mit der Bahn bis nach Inverness fahren, wo unsere Bikepacking Reise beginnt.
Da wir bis kurz vor Abreise nicht wussten, ob wir überhaupt einreisen dürfen, buchten wir die Überfahrt erst eine Woche vorher, weshalb wir rund 250 Euro pro Person dafür bezahlen mussten. Dafür reist man auf der Fähre aber auch vergleichsweise komfortabel und kann in der eigenen Kabine schlafen, während das Schiff nachts über die Nordsee schippert.
Bahnfahren in England und Schottland ist etwas speziell.
Zum einen gibt es je nach Region unterschiedliche Bahnunternehmen mit unterschiedlichen Regelungen für die Mitnahme von Bikes. Allen gemeinsam ist allerdings, dass man Fahrräder für den Fernverkehr vorab anmelden muss. Bei manchen Bahnunternehmen reicht es, das vorm Fahrtantritt am Bahnhof zu erledigen. Auf unserer Strecke von Newcastle nach Inverness hat es so leider nicht funktioniert.
Das Ergebnis: Wir durften in einigen Zügen gar nicht mitfahren und es gab fast überall eine kleine Diskussion. Das einzig Positive dabei: Das Zugpersonal war ausnahmslos deutlich freundlicher und hilfsbereiter, als wir es von Deutschland gewohnt waren. Wenn du die Fahrradmitnahme vorab buchen möchtest, geht das übrigens tatsächlich am einfachsten telefonisch. Du suchst dir also am besten zuerst die passende Verbindung heraus, das geht auf der Webseite National Rail Enquiries.
Eingefleischte Roadies schrubben plötzlich Kilometer auf einsamen Schotterstraßen und Mountainbiker verbeißen sich begeistert in den Rennradlenker - das ist die vereinende Kraft von Gravel Bikes wie dem Road Rage Advanced! Die Ausstattung mit gehobenen Shimano-Komponenten wird auch anspruchsvolle Biker zufrieden stellen und dafür sorgen, dass du auch nach zahllosen Kilometern auf schlammigen Feldwegen und ruppigen Schotterstraßen noch viel Freude an deinem Road Rage hast!
Einreisebedingungen und Coronaregelungen
Die härteste Challenge unserer Reise! Lange Zeit wussten wir nicht, ob wir überhaupt nach Schottland kommen würden, ohne eine zehntägige Quarantäne zu riskieren. Und das wäre natürlich für einen sechstägigen Bikepacking Trip überhaupt keine Option gewesen. Zum Glück wurden die Corona-Regelungen gegen Ende des Sommers 2021 doch noch gelockert, sodass unsere Reise stattfinden konnte. Trotzdem haben wir fast einen ganzen Tag damit verbracht, sämtliche Regelungen zu recherchieren, Formulare auszufüllen und Coronatests zu bestellen.
Tatsächlich ist es kaum möglich, hier einen guten Tipp zu geben, da sich die Regelungen ständig ändern und zudem für jedes Land unterschiedlich sind. Es hilft also nichts: Wenn du reisen willst, musst du dir die Zeit nehmen. Denk einfach daran, dass es unser aller Sicherheit dient – dann ist der Aufwand durchaus gerechtfertigt.
● Eine gute Anlaufstelle für deine Reise nach Schottland findest du hier.
Einer der wichtigsten Punkte auf unserer To-do-Liste für Schottland war die Routenplanung. Denn erstens wollten wir ja eine möglichst schöne Tour fahren. Zweitens gingen wir davon aus, dass wir unterwegs nicht immer guten Datenempfang haben würden, sodass spontanes Umplanen möglichst zu vermeiden war. Lieber vorher etwas mehr Zeit investieren, als später nicht zu wissen, wo man herfahren soll!
Die offizielle North-Coast-500-Route ist eine prima Basis für die Planung.
Deren Verlauf wollten wir grob folgen und nur dann auf kleinere Straßen oder Gravelwege ausweichen, wenn es wirklich Sinn ergibt.
Zwar ist die Anzahl potenzieller Straßen und Wege im Norden von Schottland überschaubar, dennoch weiß man ungesehen nie, was einen erwartet. Es ist wirklich viel wert, wenn sich jemand auskennt und weiß, wie gut ein Weg mit dem Gravel Bike befahrbar ist. Wenn du niemanden kennst, kannst du trotzdem auf die Erfahrungen der Radler-Community zurückgreifen.
So kannst du zum Beispiel anhand von User-Highlights des Planungstools komoot ziemlich gut einschätzen, wie es vor Ort in etwa aussieht. Oder du folgst einfach unserer Route – die haben wir schließlich ausprobiert und für gut befunden!
Wie bei jedem Bikepacking Trip durch dünn besiedeltes Gebiet macht es auch in Schottland Sinn, sich vorab ein „Ernährungskonzept“ zu überlegen. Möchtest du völlig autark sein und dein ganzes Essen selber mitbringen? Oder gehst du unterwegs lieber mal einkaufen oder kehrst in ein Restaurant ein, wenn es sich anbietet? Wenn du nicht zeltest, sondern im Hotel oder im B&B übernachtest, hast du zudem in der Regel die Möglichkeit, dort dein Abendessen zu genießen.
Mix aus Camping und Übernachtungen in Hotels und B&Bs entschieden.
Aufgrund des Wetters wurden es am Ende sogar noch mehr Übernachtungen mit Dach über dem Kopf, als ursprünglich geplant.
Dabei war wirklich alles dabei:
Wir haben alle Unterkünfte vorab gebucht, was wir dir ebenfalls sehr empfehlen würden, da es sich viel entspannter reist, wenn man diese Dinge aus dem Kopf hat.
Vor allem während der Reisesaison sind zudem die Unterkünfte in Schottland knapp und oft ausgebucht. Wenn du schon dabei bist, kannst du direkt fragen, ob es Abendessen gibt und gegebenenfalls auch dieses direkt mitbestellen.
Auf unserer Route sind wir öfter auch mal über längere Abschnitte gefahren, auf denen rein gar nichts kam. Über kurz oder lang kamen wir aber immer wieder durch kleine Orte oder Städte, in denen es Verpflegungsmöglichkeiten gibt. Insofern war es nicht notwendig, sämtliches Essen mitzunehmen. Stattdessen genossen wir es lieber, regionale Köstlichkeiten auszuprobieren. Bis auf die durchaus blutigen Frühstücksangewohnheiten im Vereinigten Königreich waren wir mit diesem Konzept absolut happy.
Wer sich wie ich vegetarisch ernährt, muss beim Frühstück leider meist die eigenen Ansprüche etwas zurückfahren. Hin und wieder blieb mir nur Toast und Marmelade über.
Nicht vergessen: In vielen Restaurants musst du vorab einen Tisch reservieren. Für den Notfall hatten wir trotzdem ein paar Riegel sowie einen Campingkocher und einige Instant-Gerichte dabei. Spezielle gefriergetrocknete Outdoor-Gerichte wiegen fast nichts und schmecken erstaunlich gut. An einem Abend waren wir sehr froh darüber!
Neben all dem Organisatorischen musst du natürlich auch dein Reisegepäck so zusammenstellen, dass du unterwegs alles dabei hast, was deinen Bikepackingtrip zu einem genussvollen Erlebnis macht. Wenn du nach Schottland reist, gibt es hier einige Variablen, auf die du einfach eingestellt sein musst.
Was du sonst fürs Bikepacking so brauchst, haben wir dir in diesem Artikel ausführlich zusammengestellt. Dort findest du eine Bikepacking Packliste zum Downloaden, damit du nichts Wichtiges vergisst.
Eine Reise ins Ausland ist immer mit etwas Vorbereitung und ein paar Herausforderungen verbunden. Neue Brexit-Regelungen und verschiedene Corona-Beschränkungen machen die Planung eines Schottland-Bikepacking-Abenteuers nicht einfacher. Aber du kannst uns glauben: Der Aufwand lohnt sich!
Schottland ist unglaublich schön und eines der besten Bikepacking-Ziele, das wir uns vorstellen können.
Und das sogar (oder gerade) dann, wenn es die ganze Zeit regnet!